Noch einige Worte zur Wundverheilung bei Gehölzen: Eine Pflanze ist nicht in der Lage,einmal verletztes Gewebe abzubauen und durch neues zu ersetzen. Sie kann lediglich ausgehend vom Kambium unter der Rinde immer neue Zellschichten über die Verletzung legen (Überwallung oder Kallusbildung) und das Gewebe um die Verletzung von innen mit Stoffen anreichern, die das Eindringen von Schadorganismen behindern. Schadorganismen können bei Verwundungen unterschiedlich schnell in den Holzkörper vordringen. Am Schnellsten in die geöffneten Leitungsbahnen des Splintholzes. Dann radial entlang der großporigen Frühjahrszellen der Jahresringe und schließlich achsial durch die Jahrsringe in den Baum. Am schwersten „knacken“ Baumpilze aktiv vom Baum hergestellte Sperrlinien, die als Reaktion auf eine Verletzung aufgebaut wurden (Abschottung)
Wie gut ein Baum mit einer Verletzung klar kommt, hängt von der Größe der Wunde, der Vitalität des Baumes und natürlich vom Schnittzeitpunkt ab. Während der Vegetationsperiode kann ein Gehölz sofort mit der Kallusbildung beginnen. Wundverschlussmitteln helfen dabei nicht, im Gegenteil. Unter der Verschlussschicht kann ein für Pilze sehr günstiges Klima entstehen, da die Wunde nicht abtrocknen kann.
Gute Baumpflegerische Praxis ist, einen Baum mit schlechtem Abschottungsvermögen –wozu alle Obstbäume gehören- keine Wunde größer als 5 cm Durchmesser zuzufügen. Generell lässt sich sagen, dass eine Wunde umso kleiner sein soll, je näher ich dem Kronenansatz komme. Aufgrund der fehlenden Jungtriebe findet dort oft ein schwächeres Kalluswachstum statt. Ausnahmen gelten natürlich z.B. für notwendige Entlastungsmaßnahmen bei bruchgefährdeten Bäumen. Außerdem ist zu beachten, dass oberseitige Wunden schlechter verheilen als seitliche oder unterseitige.
Grundstücksbesitzende haben nach BGB dafür zu sorgen, dass von ihrem Grundstück keine Gefahr ausgeht. Dazu zählen auch Gefahren, die von dort wachsenden Bäume ausgehen.
Genauere Informationen können der Datei „Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen“ entnommen werden.
Für die richtige Standortwahl eines Gehölzes sind 2 Faktoren von überragender Bedeutung: eine ungefähre Vorstellung von der Endgröße und davon, wann das Gehölz unter den gegebenen Voraussetzungen (Boden, Klima) diese erreichen haben wird. Zum anderen, ob der Standort eben von den Bodenverhältnissen und dem Klima für dieses Gehölz überhaupt geeignet ist.
Wie beim Menschen haben auch bei einem Baum die ersten Jahre einen entscheidenden Einfluss auf das gesamte Leben. In den ersten Jahren kann ich mit relativ geringem Aufwand vielen späteren Eingriffen vorbeugen.
Der für die Nährstoffaufnahme wichtigste Teil eines Gehölzes entzieht sich unseren Blicken: die Wurzel. Das birgt die Gefahr, diesem Teil nicht die notwendige Aufmerksamkeit zu geben. Dies beginnt mit der Standortwahl und der Pflanzung.
Vermeidung von Staunässe und Sperrschichten
Genügend Nährstoffverfügbarkeit, ggf. Bodenverbesserung
Nicht zu tief pflanzen
Damit sich der Baum in den ersten Jahren gut entwickelt, braucht er also ausreichende Wasserversorgung, Genügend Nährstoffe und ggf. Schutz vor Verbiss- und Anfahrschäden (Wurzel und Spross)
„Schlankschneiden“ (nach Johannes Bilharz) führt zu gleichmäßigem und gebremstem Neutrieb, da dem Ast mit wenigen Schnitten ein wichtiger Teil seines Assimilationspotentials genommen wird. Unter Schlankschnitt ist Auslichtung einer Astpartie oder eines Leitastes/ Stammverlängerung zu verstehen, bei der im Gegensatz zum Ableiten die Fortführung des Astes belassen oder nur schwach zurückgesetzt wird und der Ast durch die Entnahme von starkem Seitenholz von vorne nach hinten „ausgeschlankt“ wird. Im Idealfall entsteht dabei eine Spindelform, die an der Spitze schmal ist und zum Kroneninneren immer breiter wird. So kann die Blattmasse eines Triebes reduziert werden ohne einen starken Neutrieb zu provozieren und den Habitus zu zerstören. Auf diese Weise lassen sich Bäume auf Kundenwunsch relativ stark zurücknehmen, ohne einen übermäßigen Neutrieb zu zeigen.
Wahl des passenden Kronentyps
Besonders für Obstbäume kann die Frage, was für eine Kronenstuktur ich bei der Erziehung anstrebe, sehr wichtig für die spätere Nutzbarkeit sein.
Die Triebgesetzmäßigkeiten führen dazu, dass eine natürlich gewachsene Krone sich nach oben entwickelt, die Triebe durch das Fruchtgewicht abkippen und sich an den Scheitelpunkten neue Triebe bilden, die wieder über die alten kippen u.s.w. Im Lauf der Jahre entstehen dadurch die typischen überbauten Kronen, die wie Regenschirme das Kroneninnere überdecken und die Triebe dort absterben lassen. Auch bilden sich oft zu flach stehende Starkäste aus, die im Alter nicht mehr bruchsicher sind. Es gibt Arten und Sorten, die sehr zum Abkippen neigen und andere, die natürlicher Weise ein steiles Konensystem ausbilden. Auch wenn wir uns für einen weitgehend natürlichen Kronenaufbau entscheiden, ist es sinnvoll bestimmten Fehlentwicklungen vorzubeugen.
Ziel einer Kronenerziehung sollte ein Baum mit stabilem Kronengerüst sein, der immer genügen Licht in das Innere bekommt und auch dort noch treibt und fruchtet. Es gibt sehr viel verschiedene Kronenformen. Eine solche Form soll die Erziehung und Bewirtschaftung durch Vereinheitlichung erleichtern. Ich nenne hier nur eine kleine Auswahl von Kronenformen, die in der Praxis häufiger anzutreffen sind:
Spalier – eine 2-dimensionale Krone für Hauswände oder schmale Streifen. Die Leitäste könne in jeder beliebigen Form gezogen werden, aber nur entlang der Wand oder des Streifens. Im rechten Winkel davon wird nur kurzes Fruchtholz erzogen.
Längskrone (Palmette) – dies ist die extensivere Variante des Spaliers für Plantagen oder auch Gärten. Die Leitäste werden nur parallel der Gasse gezogen, mit oder ohne Stammverlängerung in der Mitte. Davon gehen seitlich die Fruchtäste und das Fruchtholz ab.
Rundkrone – die klassische Kronenform für Streuobstwiesen oder größere Gärten. Um die Anforderungen nach statischer Stabilität und optimaler Nutzbarkeit zu erfüllen, wurde die Rund- oder Öschbergkrone mit einer Stammverlängerung und 3-5 Leitästen entwickelt, die je nach Sorte etwa in 45° Winkel nach oben weisen und die Fruchtäste tragen.
Hohlkrone – eine Sonder-form der Rundkrone für lichtbedürftige Obstarten. Auf die Stammverlänger-ung wird verzichtet, um mehr Licht in das Kroneninnere zu bekommen. Allerdings wird der Baum immer das Bestreben haben, diesen Bereich wieder zu füllen.
Spindel – diese Krone eignet sich besonders für schwächer wachsende Unterlagen. Ein Mitteltrieb wird von unten nach oben mit immer kürzer werdenden Fruchtästen garniert.
Rundkrone und Spindel sind dabei die Kronenformen mit dem geringsten Pflegeaufwand, da sie am ehesten dem natürlichen Habitus eines Obstgehölzes entsprechen.
Natürlich lassen sich die verschiedenen Kronenformen auch kombinieren. Im Grunde besteht die Rundkrone aus einer Spindel, die von halbseitigen Spindeln umringt ist
Alle Obstarten können als Rundkrone erzogen werden. Allerdings geht der arten- und sortentypische Charakter vieler Bäume durch eine strenge Uniformierung verloren. Speziell zu einige Birnensorten passt eine Spindelerziehung eventuell besser.
Wahl der richtigen Kronenansatzhöhe
Die Höhe des Kronenansatzes ist grundsätzlich unabhängig von der gewählten Unterlagenstärke und der gewählten Kronenform. Natürlich eignen sich stärkere Unterlagen tendenziell mehr für einen höheren Kronenbeginn.
Den eigentlichen Ausschlag für die Wahl der Höhe des Kronenansatzes muss aber die geplante Unternutzung geben. Ist eine Beweidung geplant, wenn ja, mit welchen Tieren? Mit welcher Technik erfolgt ggf. ein Mähen oder Mulchen? Muss ein Lichtraumprofil für einen Weg eingeplant werden?
Wahl des passenden Kronentyps
Die Triebgesetzmäßigkeiten führen dazu, dass die natürlich gewachsene Krone eines Solitärbaums sich nach oben und außen entwickelt. Dadurch entsteht eine Kronenform, die für Straßenbäume zu breit wird und vor allem zu tiefe Leitastansätze hat. An Straßen und in der Stadt brauchen wir daher eine eher hochovale Kronenform. Ob ein Straßenbaum mit einer durchgehenden Mitte erzogen wird oder mit mehreren kodominaten Stämmlingen, kann vom Habitus abhängig gemacht werden. Wichtig ist immer, dass die Stämmlinge eine gute Anbindung haben und auf unterschiedlichen Abgangsebenen liegen.
Wahl der richtigen Kronenansatzhöhe
Die Höhe des Kronenansatzes ist bei Straßenbäumen abhängig vom Abstand des Baumes vom Weg und der und der Frage, welcher Verkehr unter den Bäumen stattfindet. Je größer der Abstand des Baumes von der Wegeskante oder einem Gebäude, desto niedriger kann der Kronenansatz gewählt werden. In der Reihe können die Äste etwas tiefer ansetzen als in Richtung Weg. In Hausgärten kann die Frage der Mähtechnik entscheidend sein: Mähroboter oder Rasentraktor?
Für Baumarten mit Tendenz zu hängenden Ästen (z.B. Kastanien, Linden) sollte ein 1-2 m höherer Kronenansatz gewählt werden als beispielsweise für Ahorn, Robinien oder Eichen.
Maßnahmen für Stabilität und Nutzbarkeit
Für die Kronenerziehung ist ein sehr weitgreifendes Vorstellungsvermögen nötig. Eine grundsätzliche Weichenstellung ist die Auswahl der zukünftigen Leitäste. Bei einem Baum, der mit 3,5 m Höhe an in Abstand von einem Meter an die Straßenkante gesetzt wird, wird keiner der zum Pflanzzeitpunkt am Baum wachsenden Triebe nach 15 Jahre noch existieren!. Je nach Baumart dürfen die Leitäte ja erst bei 4,5 m ansetzen. Auch ist es nicht sinnvoll, dass alle Leitäste an einem Punkt ansetzen, da die mechanische Belastung der ganzen Krone dann auf einen Punkt zusammenläuft. Dies kann im Alter zum Problem werden, weshalb ich dazu rate, die Leitäste auf einen mindestens einen halben Meter zu verteilen.
Die Entfernung potentieller Schlitzäste und die Vermeidung der Aufspaltung von Stammverlängerung oder Leitästen in 2 gleich starke Triebe seien hier noch mal erwähnt.
Pflegeintervalle
Entscheidend bei der Baumerziehung sind die Pflegeintervalle. Wenn ich erst nach 5 Jahren wieder an einen Baum komme und einen Ast mit über 10 cm Durchmesser entfernen muss, um das geforderte Lichtraumprofil herzustellen, habe ich möglicherweise die Grundlage dafür gelegt, dass 30 oder 40 Jahre später ein Baumgutachten diesen Baum als nicht mehr standsicher einstuft. Sinnvolle Pflegeintervalle sind:
In den ersten 15 Jahren alle 2 Jahre und vom 16. bis zum 25. Jahr alle 3 Jahre
Zum einen bleiben die Schnitte kleiner, ja eher ich einen Ast entferne. Zum anderen kann es der Vitalität einen Bäume nicht zuträglich sein, mehr als ca. 20% der Blattmaße in einem Jahr zu entnehmen.
Für Obstbäume gilt allerdings die Notwendigkeit eines jährlichen Erziehungsschnittes, da ein beginnender Ertrag das Erziehungsziel stabiler Leitäste innerhalb von einem Jahr wieder zerstören kann.
Die moderne Baumpflege hat für das Herangehen an einen Baum eine gut strukturierte Form. An erster Stelle steht die Beurteilung des Gehölzes, das ich vor mir habe, die so genannte Baumansprache. Ich nehme den individuellen Baum und seinen Standort in vier Bereichen wahr:
An erster Stelle steht die Beurteilung der Stabilität. Diese muss auf jeden Fall gewährleistet sein. Die Stabilität eines Baumes kann aus verschiedenen Gründen beeinträchtigt sein, meist durch Schadorganismen oder instabile Astanbindungen. Speziell beim Obstgehölz gibt es einen besonderen stabilitätsbeeinträchtigenden Faktor: Das hohe Fruchtgewicht, das immer wieder zu Astabbrüchen führt.
An zweiter Stelle steht die Vitalität. Nur bei ausreichender Vitalität kann sich ein Gehölz auf Dauer erhalten.
Beim dritten Punkt haben die Kund*innen eine Menge mitzusprechen: Es ist die Beurteilung der Nutzbarkeit. Welchen Wert hat der Baum für mich an dieser Stelle? Für Obstgehölze ist dieser Bereich besonders dann wichtig, wenn tatsächlich Wert auf die Nutzung des Obstes gelegt wird.
Als 4. und letzter Punkte muss ich noch die Rahmenbedingungen für die Umsetzung einbeziehen. Wem gehört der Baum, wie viel Geld steht zur Verfügung (Fördermaßnahmen) und wann kann eine Folgemaßnahme eingeplant werden?
Habe ich die Besonderheiten des Baumes durch die Baumansprache festgestellt, ist der nächste Schritt eine klare Zielsetzung. Das einfachste Ziel ist es, die Stabilität des Baumes wiederherzustellen oder zu erhalten. Dies reicht beispielsweise, wenn der Baum lediglich als landschaftsprägendes Element erhalten werden soll. Aber auch Blickdichtheit oder die Frage des Schattenwurfs können für die Zielsetzung wichtig sein.
Die richtige Zielsetzung ist der Schlüssel zum richtigen Schnitt. Denn nur aus der Kombination der Baumansprache und der Zielsetzung kann ich die für diesen Baum notwendigen Behandlungsmaßnahmen zusammenstellen.
Also: Baumansprache + Zielsetzung = richtige Maßnahmen/ richtiger Eingriff.Und der richtige Eingriff kann sich nach Eingriffsstärke, Eingriffsartund Eingriffszeitpunkt unterscheiden.
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